Der gut gekleidete Mann parkte seine luxuriöse achzylinder Limousine in die neu erbaute Tiefgarage des neuen 5-Sterne-Hotels in Den Haag, den schönen Niederlanden, ein und begab sich in seine wurzelholz getäfelte Suite im 11. Stock, wo er sich in der eigens eingerichteten kleinen Teeküche einen aromatischen heißen, frischen Tee mit Kandis zubereitete, um dann von seinem Bett aus einen alten holländischen Film über das volkstümliche Schlittschulaufen auf den vereisten Grachten im Lande mit großem Interesse anschaute. Ein Bericht aus den 50er Jahren, voll Wärme und echter holländischer Mentalität.
Als er eine Stunde später sein Fahrzeug im „indonesischen“ Viertel abstellte und an den Läden vorbeischlenderte, genoß er die milde Abendluft und das erwachende Nachtleben.
Eine Kombination aus Bar und Restaurant mit getrennten Eingängen erweckte seine Aufmerksamkeit, und er blieb stehen, um am Eingang die Speisekarte zu lesen, die nach seinem Sinn stand.
Im Moment schlenderte ein elegantes junges Paar – Mitte 30 – hinter ihm schwungvoll vorbei, und es fiel ihm das Lachen der Frau und ihre ausnehmend schönen Waden auf.. so nebenbei, ohne Gedanken.
Die Frau stocke, zog ihren Begleiter zurück, sie machten eine Kehrtwendung und sprachen.
Inzwischen hatte sich „unser“ Mann entschlossen, das Lokal zu betreten, dass wohl soeben im Begriff war, für den Abend zu eröffnen.
Das Lokal war leer.
Der Mann setzte sich an einen ihm genehmen Tisch, nachdem er seine herbstliche Garderobe einer dafür bereitstehenden Dame übergeben hatte.
Wer war dieser Mann? Man wußte es nicht. Er hatte in der Größe fast eines Kilobarrens Gold ein massiv goldenes Funktelefon vor sich auf den Tisch gelegt und wurde von der Dame des Hauses, es war anzunehmen, dass sie die Chefin war, freundlich begrüßt, die veranlasste, dass eine Servierkraft ihm die Karte überreichte. Er wählte vorweg ein Mineralwasser, ließ sich hinsichtlich eines trockenen Rotweines beraten und vertiefte sich in die Menueauswahl. Inzwischen betrat das Paar von der Straße das Restaurant, und nahm in einer Ecke Platz.
Als er bestellen wollte, kam die Chefin und fragte ihn, ob es in seinem Sinne sei, mit dem Paar am anderen Tisch gemeinsam zu speisen, sie ließen höflichst für eine Einladung anfragen?
Nachdem er sich bei der Chefin wegen seiner Überraschung versicherte, dass dieses zwar nicht in Den Haag üblich, aber doch akzeptabel, wenn nicht ungewöhnlich war, begab er sich zu dem Paar, stellte sich vor und wurde ungezwungen begrüßt und zum gemeinsamen Essen an den Tisch gebeten.
Es folgten freundliche Worte, eher Floskeln, auch wenn es keine solche waren, und nach wenigen Minuten war eine fast vertraute Situation zwischen den dreien entstanden.
Interessiert?
Ich werde weiter über diesen Mann und das Paar erzählen..
..Die Frau, wenn ich damit fortfahren darf, war hübsch, mindestens, zudem interessant, wie man sagt, gebildet.. und charmant. Ihr Mann, um diesen handelt es sich, war ihr absolut ebenbürtig. Eine angenehme Gesellschaft für ein Essen. Da es sich um gesellschaftlich exponierte reale Personen handelt, werde ich nur bedingt berichten können, was persönliche Details in dem Gespräch betrifft.
Die Frau übernahm das Gespräch. Sie kenne „unseren“ Mann aus einem früheren Leben, was dieser unvoreingenommen aufnahm. Sie habe .. Kinder, aus ihrer jetzigen Ehe und einer früheren Verbindung. Sie sei künstlerisch kreativ tätig. Sie nannten Ihre Namen, unterschiedliche klangvolle Familiennamen. Er wohnt in der Schweiz, sie im flämisch sprechenden Raum. Der Mann war Ingenieur und Inhaber einer einzigartigen internationalen Firma mit Dependencen weltweit und hatte mit Spezialschiffen zu tun. Er hatte, wie das Gespräch ergab, mit „unserem“ Mann eine Eigenheit gemeinsam. Nicht nur das beide sehr symphatisch und gebildet waren, es gab eine Herzenswärme und nun zur „Marotte“ der beiden Männer, es faszinierte sie beide, unbedeutende aber interessant konstruierte technische Kleinteile, die gelegentlich weggeworfen wurden und über sie nachzudenken, welche Funktion sie in welcher Maschine oder Gerät sie erfüllt haben mochten.
Ich schweife ab.
Es entwickelte sich ein sehr freundschafliches Gespräch unter fremden Freunden. Man traf die Speisenauswahl, der Tisch wurde eingedeckt. Ob jemand rauchte? Ich kann darüber nicht mehr berichten, es war unerheblich. Was dachte sich „unser“ Mann? Ja, was dachte er? Und was dachte das Paar? Es wurde nicht darüber gesprochen. Jedenfalls befand sich das schöne Paar in Übereinstimmung darüber, soviel war offensichtlich. Der Mann dieser Frau – und das machte ihn für „unseren“ Mann symphatisch – war gutaussehend, aber weit von der Billigkeit eines Fotomodells entfernt. Sein Gesicht war mild, das wäre wohl der treffendste Ausdruck. Er hatte sich einen positiven kindlichen Zug bewahren können, weit entfernt davon, kindlich zu sein.
Inzwischen wurde serviert. Das Paar hatte gut gewählt, es mochte möglicherweise dieses außergewöhnliche Restaurant bereits kennen, im Gegensatz zu „unserem“ Mann, der erstmalig hier speiste.
Was war ungewöhnlich an diesem Zusammensein? Eigentlich nichts, drei Personen besuchten ein Lokal und aßen, tranken, plauderten. Und doch gab es etwas völlig Aussergewöhnliches, was jeder drei wahrnahm, aber niemand sprach es an.
War es das gegenseitige Vertrautsein?
Und wenn ja, wieso vertraut?
Ich werde weiter erzählen, so ihr möchtet, aber jetzt ruft mich etwas anderes. Ich hoffe, ich habe euch nicht gelangweilt?
Ralli Beaumonde